Der Soziologe und Medienforscher Jan-Hinrik Schmidt leitet seit vier Jahren den Standort Hamburg des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt, das kurz vor seiner zweiten Förderphase steht. Im BredowCast zieht er ein Fazit der ersten vier Projektjahre.
Am Anfang war die Frage: Was ist überhaupt dieser sogenannte „gesellschaftliche Zusammenhalt“? Und wie kann man ihn messen? Dass gesellschaftlicher Zusammenhalt heutzutage weniger mit geteilten Werten und Lebensstilen zu tun habe, war für Jan-Hinrik Schmidt schon beim Start des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) klar. Dazu sei unsere Gesellschaft zu heterogen geworden. Wichtiger für die Definition und Messbarkeit des Zusammenhalts sei die Art und Weise, wie eine Gesellschaft Konflikte austrage.
Auch heute, nach vier Jahren Forschung zum Thema, sieht Jan-Hinrik Schmidt die Lage ähnlich. Allerdings würde er heute stärker hervorheben, dass es weniger um Zusammenhalt als Zustand gehe, den es zu erforschen und messen gelte, „sondern um den Prozess, in dem Zusammenhalt immer wieder gestärkt und geschwächt wird.“
Rolle der Medien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Das FGZ steht kurz vor seiner zweiten fünfjährigen Förderphase durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2020 wurde es als dezentrales Institut auf elf Standorte in ganz Deutschland verteilt gegründet. Am Leibniz-Institut für Medienforschung ist der Standort Hamburg angesiedelt. Er erforscht die Rolle der Medien bei der Herausbildung sowie Gefährdung gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Vier Teilprojekte untersuchten den Einfluss der Mediennutzung auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Integrationsaufgabe öffentlich-rechtlicher Medien sowie die Rolle der Journalismus-Publikums-Beziehung für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein weiteres Projekt widmete sich dem Aufbau einer technischen Infrastruktur für systematische Forschung mit Social-Media-Daten, eine Art Unterstützungsleistung für das gesamte FGZ. In all diesen Projekten war der Transfer zentral. Wie die Forschung an die Leute gebracht werden kann, wurde in den Projekten immer von Anfang an mitgedacht.
Zweite Förderphase
In den kommenden fünf Forschungsjahren soll am FGZ Standort Hamburg mehr Teilprojekte geben, voraussichtlich 7 bis 8, die zu drei Arbeitsschwerpunkten gebündelt werden. Thematisch wird über allen Teilprojekten diesmal die Frage nach der Verständigung stehen. Wie verständigt sich die deutsche Gesellschaft über sich selbst? Und welche Rolle spielen Medien dabei?
Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist aktuell häufig Thema in öffentlichen Debatten. „Oft wird das Bild vermittelt, unsere Gesellschaft sei gespaltener, als sie tatsächlich ist“, sagt Jan-Hinrik Schmidt. Zwar gibt es kleine Teile der Gesellschaft, die das Vertrauen in öffentliche Institutionen und die Politik verloren haben, die eine andere Gesellschaft wollen und vielleicht sogar autoritäre Vorstellungen haben. Wichtig werde sein, diese Stimmung in der öffentlichen Debatte ernst zu nehmen, ihr aber wissenschaftliche Fakten entgegenzusetzen, und darauf hinzuweisen, dass es sich eben nur um einen kleinen Teil handelt. In solchen Kontexten kann das FGZ mit seiner wissenschaftlichen Expertise Klarheit schaffen.
Links
FGZ-Projekte aus Förderphase 1
- Mediennutzung und gesellschaftlicher Zusammenhalt
- Was Journalisten wollen und sollen – Die Transformation der Journalismus /Publikum-Beziehung und ihre Bedeutung für gesellschaftlichen Zusammenhalt
- Integrationsaufgabe und Integrationsfunktion von Public Service Medien
- (Social) Media Observatory
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