BRC083 Bessere Regeln für Zugang zu Plattformdaten?

Mit dem Digital Services Act der Europäischen Union müssen große Online-Plattformen künftig Zugänge für die Wissenschaft anbieten. Ein potenzieller Meilenstein für die Erforschung digitaler Phänomene. Die beiden Internetforscher Jan Rau und Vincent Hofmann erklären, was bei dem Gesetz berücksichtigt werden muss, damit es der Forschung optimal nützt.

Online-Plattformen sollen transparenter werden. Das ist eines der Ziele des Digital Services Act (DSA, Gesetz über digitale Dienste), des bislang ambitioniertesten EU-Rechtsakts der Plattformregulierung. Er wird ab Februar 2024 vollständig anwendbar sein und von der Forschung mit Spannung erwartet. Denn: Der DSA sieht als zentrale Maßnahme für Anbieter von sehr großen Online-Plattformen (monatlich 45 Mio. aktiver Nutzer*innen) die verpflichtende Einführung sogenannter „Forschungsdatenzugänge“ vor. Ein potenzieller Meilenstein für die Forschung zu zentralen Phänomenen im Kontext digitaler Medien – beispielsweise Desinformationen, gesellschaftliche Polarisierung oder auch dem digitalen Rechtsextremismus. 

Risikominimierung im demokratischen Sinne 

„Der Gesetzgeber geht davon aus, dass große Online-Plattformen bestimmte Risiken für die Demokratie bergen, die er mit stärkerer Regulierung minimieren will“, sagt der Jurist Vincent Hofmann. Mit „Risiken“ sind zum Beispiel die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten gemeint, digitale Gewalt, Gewalt gegen Minderheiten oder die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. „Hier setzt auch der Forschungsdatenzugang an. Alles, was Forschende mit Plattformdaten herausfinden wollen, muss sich auf diese Risiken beziehen, um sie auf lange Sicht besser verstehen und besser minimieren zu können.“  

Forschung mit Plattformdaten muss also auf ein bestimmtes, demokratisches Ziel einzahlen. Andere Forschungsvorhaben, wie zum Beispiel Marktforschung mit Daten aus Online-Plattformen, werden also nicht möglich sein. 

Meilenstein für die Forschung

Forschende erwarten die neue Regelung mit Spannung. „Vor allem in meinem Bereich, der Erforschung des digitalen Rechtsextremismus, könnte der DSA vieles verändern“, erzählt Jan Rau. „Bislang war es manchmal durchaus frustrierend als Forscher zu wissen, man könnte wahnsinnig interessante Forschungsfragen beantworten, wenn man bloß an die Daten käme. Die Daten waren ja immer schon da, man bekam sie nur nicht, weil die Plattformen nicht kooperierten.“  

Forschungsdatenzugänge, wie sie sein sollten

Damit die Forschungsdatenzugänge, wie sie der DSA vorschreibt, nicht zum Papiertiger verkommen, sondern sie der Forschung optimal nützen, müssen einige Dinge berücksichtigt werden. „Das fängt damit an, dass man einen Überblick darüber bekommen muss, welche Daten es überhaupt gibt“, sagt Jan Rau. „Hilfreich wäre ein öffentliches Repositorium, das auflistet, welche Daten erfolgreich abgefragt werden können und welche nicht. Außerdem sollte das Datenvolumen, das abgefragt werden kann, nicht oder nicht stark begrenzt sein. Was die abzufragenden Daten konkret betrifft, wäre es hilfreich, wenn wir Forscher*innen Einsicht bekämen in beispielsweise die Reichweite bestimmter Postings und,die Moderationsentscheidungen der Plattform. Wichtig zu wissen wäre auch, ob und wie die Plattform bestimmte Inhalte pusht und auf welcher Grundlage.“ 

 Links 

Vincent Hofmann 

Jan Rau 

Johanna Sebauer 

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut