BRC090 Sexting im Strafrecht

Das Verschicken selbst erstellter sexueller Inhalte kann für Jugendliche rechtliche Folgen haben. Auch dann, wenn es im Einvernehmen geschieht. Die Medienjurist*innen Sünje Andresen und Stephan Dreyer klären auf.

Sexting, also der konsensuale Austausch intimer Selfies, kann je nach Alter strafrechtlich relevant sein. Erhält eine unter 18-jährige Person von einer anderen unter 18-jährigen ein freizügiges Bild und löscht dieses nach Kenntnis nicht sofort, kann der Tatbestand der Jugendpornographie erfüllt sein (§ 184c StGB). Ist die Person, die das freizügige Bild erstellt und verschickt, unter 14 Jahre alt, muss wegen Kinderpornographie (§ 184b StGB) ermittelt werden.  

Der Vorwurf der Sexualstraftat wiegt schwer. Eine Strafermittlung kann stigmatisierend sein und gravierende Folgen für Jugendliche haben. Der Gesetzgeber hat dies den letzten Jahren verschärft. 

Verschärfung mit ungewollten Folgen 

Als Reaktion auf eine Reihe grausamer Missbrauchsskandale hat der Gesetzgeber im Juni 2021 den Kinderpornographie-Paragraphen, §184b StGB, verschärft. Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornographischen Inhalten wurden hochgestuft von einem Vergehen auf ein Verbrechen. Das bedeutet, dass das Delikt nunmehr mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu bestrafen ist. Grausame Taten, wie dokumentierten Kindesmissbrauch, mit hohen Strafen zu belegen, ist mehr als schlüssig. Die Gesetzesverschärfung hat aber auch eine Reihe skurriler Folgen. 

Wohlmeinende Eltern oder Lehrkräfte, die – in bester Absicht handelnd – Beweise sammelten und mit entsprechendem Material auf dem Handy zur Polizei gingen, wurden plötzlich zum Fall für die Justiz. Denn auch sie waren ja im Besitz von Kinderpornographie. „Bei einem Verbrechen kann, im Gegensatz zu einem Vergehen, der Prozess nicht wegen Nichtigkeit eingestellt werden“, erklärt Sünje Andresen. Solche „Nicht-Fälle“ gibt es seit der Verschärfung viele. 

Sexualität findet auch digital statt 

„Die polizeiliche Kriminalstatistik von 2023 zeigt, dass knapp die Hälfte aller Tatverdächtigen unter 21 Jahre alt war, davon waren wiederum knapp 30% sogar unter 14“, sagt Sünje Andresen. „Ich will nicht abstreiten, dass auch junge Menschen Täter sein können. Aber in diese Statistik fallen auch jene, die nicht dem Profil des pädo-kriminellen Straftäters entsprechen, den wir eigentlich im Blick haben sollten, sondern hier geht es auch um junge Menschen, die ihre Sexualität entdecken.“ Ist der Fall erst einmal erfasst, müssen Ermittler*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen sich damit beschäftigen. Das frisst viel Zeit und Ressourcen, die benötigt würden, um schwere Fälle von dokumentiertem Missbrauch zu verfolgen. 

Stephan Dreyer ärgert sich, dass der Diskurs zu diesem Thema aktuell darum kreist, wie Kinder und Jugendliche einer Strafe entgehen, wenn sie einvernehmlich intime Inhalte austauschen. „Kinder und Jugendliche, die ihre Sexualität konsensual entdecken, sollten sich nicht davor fürchten, als Sexualstraftäter geahndet zu werden. Wie viele Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen wandert auch die Sexualität ins Digitale. Man sollte eher mit ihnen darüber reden, wie sie Sexting auf eine Weise betreiben, mit der sie sich wohlfühlen; dass sie es nur mit Menschen machen sollen, denen sie wirklich vertrauen, oder dass sie Nein sagen, wenn sie etwas nicht wollen.“ 

 

Links 

  • Stellungnahme von Sünje Andresen und Stephan Dreyer zur Anpassung der Mindeststrafen für Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte (§ 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches). 
  • Artikel von Sünje Andresen und Stephan Dreyer zur strafrechtlichen Problematik konsensualen Sextings unter Beteiligung von jungen Menschen. 

Sünje Andresen 

Stephan Dreyer 

Johanna Sebauer 

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