BRC063 Mit Memes Geschichte kommunizieren

Memes sind zu einer Sprache des Internets geworden. Wer sie nicht beherrscht, dem entgeht so manche Stellungnahme und Pointe. Die Medienhistoriker Dr. Hans-Ulrich Wagner und Hermann Breitenborn erklären, warum es sich lohnt, Memes kommunikationswissenschaftlich zu untersuchen, und wie über Memes Geschichte kommuniziert wird.

Der Begriff „Meme“ wurde zum ersten Mal vom einem Evolutionsbiologen verwendet. Richard Dawkins schrieb 1976 in seinem Buch „The Selfish Gene“ über Memes als Merkmale, die „kulturell vererbt“ werden. Im Gegensatz zu biologischen Merkmalen, die sich über Gene innerhalb der Erblinie weiterschreiben, schreiben sich Memes über Praktiken und Nachahmung innerhalb einer Kultur fort. Seit den 1990er Jahren wird der Begriff für sich schnell verbreitende, in unterschiedlichsten Formen wiederkehrende Internet-Phänomene verwendet.

Internet-Memes

Noch vor zehn Jahren musste man nach Memes auf speziellen Meme-Websites (z.B. Memebase) oder auf Plattformen wie reddit oder 9gag suchen. Heute gehören sie zum Alltag und fluten Social-Media-Plattformen. Meist sind es humorvolle Bilder oder Videos mit denen User*innen auf Themen aus (Pop)Kultur, Politik etc. Bezug nehmen. Doch gerne werden Memes auch dazu verwendet, um in den Sozialen Medien auf Ereignisse in beinahe Echtzeit zu reagieren und Aktuelles zu kommentieren.

Historische Themen in Memes

Aus der Fülle des Materials greifen die Wissenschaftler Dr. Hans-Ulrich Wagner und Hermann Breitenborn die Memes auf, die aktuell einen Bezug auf Geschichte herstellen bzw. historische Versatzstücke für ihre Aussagen nutzen. Ihr Fokus liegt auf der Frage, wie historische Themen in Internet-Memes Verwendung finden.

Zwei Kategorien von historischen Memes könne man unterscheiden, sagen die beiden. In der ersten Kategorie findet man Memes, die eine historische Darstellung aufgreifen und diese durch Vervielfältigung und Veränderung zum eigenständigen Meme machen. In der zweiten Kategorie wird historisches Material aufgegriffen und mit aktuellen Bezügen in Verbindung gesetzt. Im Podcast erklären die beiden anhand von drei Beispielen, wie in Memes insbesondere die Themen Holocaust und Nationalsozialismus behandelt werden.

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Literatur zum Thema

Im Podcast besprochene Beispiele für historische Memes

Beispiel 1
Historische Memes

Beispiel 2a

Beispiel 2b

Beispiel 3
Historische Memes. Auschwitz. Kellyanne Conway

 

Dr. Hans-Ulrich Wagner

Hermann Breitenborn

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC062 Sturm aufs Kapitol, Trump und Twitter

Nach dem „Sturm aufs Kapitol“ am 6. Januar 2021 in Washington D.C. diskutieren der Politikwissenschaftler Jan Rau und der Medienjurist Dr. Matthias C. Kettemann darüber, welche Rolle die Medien dabei spielen. Und ob so etwas auch in Deutschland passieren könnte.

 

Die US-amerikanische Gesellschaft ist gespalten. Die einen feiern den neu gewählten Präsidenten Joe Biden wie einen Erlöser, die anderen wollen seinen Wahlsieg nicht anerkennen. Ein Konflikt zwischen zwei Wirklichkeiten, der im Sturm auf das Kapitol am 6. Januar seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Im US-Parlament war für diesen Tag die offizielle Auszählung der Wahlmännerstimmen im Kongress anberaumt. Diese abschließende Zertifizierung Joe Bidens als neuen US-Präsidenten wollten die Demonstrant*innen stören.

Schuld nicht (nur) bei Medien

Der Sturm aufs Kapitol sei ein schockierendes, aber keineswegs überraschendes Ereignis, sagt der Politikwissenschaftler Jan Rau. Die Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft sei nicht von heute auf morgen passiert, sondern schwele bereits seit vielen Jahren. Den beliebten Vorwurf, die digitalen Medien seien mit ihrer Flut an Fake-News Schuld an der Polarisierung, hält er für zu kurz gefasst. Vielmehr hätte es an der Unfähigkeit konservativer Politiker*innen gelegen, den Demagogen Trump aus ihren Reihen fernzuhalten. Hier sieht Rau auch konservative Kräfte in Deutschland in der Pflicht, sich klar gegen antidemokratische Tendenzen zu positionieren.

Trump und Twitter

Twitter war Trumps Lieblingsplattform zur Kommunikation mit dem Volk. Regelmäßig sorgten seine Tweets für Empörung. In der Wahlnacht im November 2020 reagierte das Unternehmen erstmals und versah einige seiner Tweets wegen Falschaussagen mit Warnhinweisen. Nach dem Sturm aufs Kapitol löschte Twitter das Benutzerkonto des amtierenden Präsidenten. Diese Entscheidung sei gleichzeitig richtig, zu spät und hochproblematisch gewesen, kommentiert Matthias Kettemann die Sperre. In dieser Entscheidung spiegeln sich viele Debatten und Probleme rund um die Macht der Plattformbetreiber.

Wer klagt, Twitter würde Trumps Meinungsfreiheit beschneiden, liege zumindest nach geltendem US-Recht falsch, denn Trump hat kein Recht auf Meinungsfreiheit gegenüber Twitter, so Matthias Kettemann. Diese Freiheit genießen Bürger*innen in den USA nur gegenüber dem Staat. Private Unternehmen seien nicht dazu verpflichtet diese Freiheiten zu gewähren. In Deutschland sieht die Gesetzeslage anders aus: Hier sind auch private Akteure, die einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Kommunikation haben (z.B. Stadien, Flughäfen, soziale Netzwerke), an gewisse Grundrechte gebunden.


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Blogbeitrag von Jan Rau zum Thema

Matthias Kettemann zur Twitterlöschung Trumps im Deutschlandfunk

Jan Rau

Matthias Kettemann

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC061 Wie wird man Medienrechts-Forscher*in?

Dr. Stephan Dreyer ist Medienrechts-Forscher. In dieser BredowCast-Folge erzählt er, wie er zu einem solchen geworden ist.

 

Dass aus ihm später kein schlitzohriger Anwalt würde, war Stephan schon als junger Student klar. Während seines ersten Praktikums in einer Kanzlei musste er feststellen, dass „Anwälte dazu da sind, sich zu streiten. Ich mag Streit aber nicht besonders“, sagt er. „Lieber diskutiere ich über gemeinsame Lösungen.“

Dann also Forschung. In diese rutschte er eher zufällig und zwar über das HBI. Auf der Suche nach einem Studentenjob bewarb sich Stephan zunächst für eine Stelle des IT-Admin. Damals in den Neunzigern, brannte er für alles, was mit Computern und dem Internet zu tun hatte, und programmierte bereits selbstständig Websites. Als HBI-Direktor Wolfgang Schulz beim Bewerbungsgespräch überrascht feststellte, dass Stephan Jura studierte, stellte er ihn kurzerhand als rechtswissenschaftliche Hilfskraft ein. Diese Arbeit machte ihm so viel Freude, dass er fortan immer weniger Zeit den Hörsälen der rechtswissenschaftlichen Fakultät und immer mehr im HBI verbrachte.

Gute Leute im Medienrecht gefragt

Der Weg in die Wissenschaft sei kein typischer für einen Juristen, sagt Stephan. Das Jurastudium sei eigentlich darauf ausgelegt, Studierende für juristische Berufe, also Anwält*in, Richter*in, Notar*in, etc., zu befähigen.  Forscher*innen brächte es wenige hervor, obwohl es für sie durchaus Bedarf gäbe, insbesondere im Bereich Medienrecht. Jura-Studierenden, die sich gegen eine „klassische“ Jurist*innenkarriere entscheiden, rät Stephan daher, sich zu überlegen, ob das Medienrecht nicht etwas für sie sei. „In diesem Bereich werden wir in Zukunft sehr viele, sehr gute Leute brauchen.“


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BredowCast-Folge 58

„Wie wird man Medienforscherin“ mit Prof. Dr. Wiebke Loosen

Stephan Dreyer

 Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC060 Regulierung von Telegram und Zoom

Inhalte auf Telegram und Zoom unterliegen kaum rechtlicher Kontrolle oder plattforminterner Moderation. Soll das so bleiben? Die Medienrechtsexpert*innen Amélie Heldt und Martin Fertmann wägen ab.

Spätestens seit Corona kennen wir die Plattformen Zoom und Telegram etwas besser. Hier die unersetzliche Komponente im Home-Office, dort die vermeintliche Spielwiese der Corona-Leugner*innen, auf der prominente Stimmen wie Attila Hildmann und Xavier Naidoo hunderttausende Menschen erreichen.

Telegram

Nicht nur bei Menschen mit sogenannten „alternativen Meinungen“ ist Telegram beliebt, sondern auch bei jenen, die illegale Inhalte verbreiten wollen. Einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW zufolge, finden sich Telegram Rechtsverstöße in den Bereichen Rechtsextremismus, Pornografie, Drogen- und Dokumentenhandel. Der Ruf nach einer Regulierung dieser digitalen Räume wird immer lauter.

Zoom

Auch bei Zoom stellt sich die Frage nach Regulierung. Durch seine wachsende Bedeutung als Kommunikationsraum wachsen auch Begehrlichkeiten, Vorgaben darüber zu machen, was auf der Plattform gesagt werden darf und was nicht. Zum Teil geschieht dies bereits. Eine Vortragsveranstaltung mit der zur Palästinenser-Organisation „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) gehörenden Rednerin Leila Khaled hatte Zoom im September 2020 abgesagt, nachdem es im Vorfeld zu Beschwerden von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Protestaktionen vor der Zoom-Firmenzentrale gekommen war. Die PFLP wird von den USA als terroristisch eingestuft.


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 Martin Fertman

Amélie Heldt

Johanna Sebauer

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BRC059 Europäische Medienkonferenz

Die Medienjurist*innen Prof. Dr. Wolfgang Schulz und Amélie Heldt berichten von der EU-Medienkonferenz und erklären das komplexe Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik.

 

Vier Monate lang, von Juli bis Oktober 2020, hat unser Institut die EU-Medienkonferenz wissenschaftlich begleitet. Die Konferenzserie fand im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft statt. Ziel war die Diskussion über einen für alle Mitgliedstaaten einheitlichen gesetzlichen Rahmen für die europäische Medienlandschaft.

Wolfgang Schulz und Amélie Heldt erzählen im Detail, worüber während der Konferenz diskutiert wurde, zu welchen Ergebnissen man kam und welche Akzente das HBI bei der wissenschaftlichen Begleitung gesetzt hat.

Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik

Als Wissenschaftler die Politik zu beraten sei nicht immer einfach, sagt Wolfgang Schulz. „Herausfordernd sind schon die unterschiedlichen Zeithorizonte. Politik verändert sich in nur sehr kleinen Schritten.“

Außerdem sei man beim wissenschaftlichen Beraten von Politiker*innen immer mit einem „Power Play“ konfrontiert. „Es gibt wohl kein generelles Interesse aller Akteure daran, dass sich die Medienregulierung kohärent und auf Fakten basierend gestaltet, sondern es geht auch um unterschiedliche Positionen. Wissenschaftlicher Rat kann da mal nützlich sein, mal kann er der eigenen Position entgegenstehen.“

 

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BredowCast Episode 56

Infos zur EU-Ratspräsidentschaft

Amélie Heldt

Prof. Dr. Wolfgang Schulz

Johanna Sebauer

Kontakt

 

 

BRC058 Wie wird man Medienforscher*in?

Wiebke Loosen gehört zu den bekanntesten Journalismusforscher*innen in Deutschland. Im BredowCast spricht sie mit Johanna Sebauer darüber, wie sich ihr beruflicher Werdegang entwickelt hat.

Am Ende war es vielleicht ihre Aversion dem Fach Chemie gegenüber, die Prof. Dr. Wiebke Loosen zur Journalismusforscherin gemacht hat. Denn um ein Haar hätte sie Biologie studiert, hätte man sie nicht rechtzeitig darauf hingewiesen, dass dieses Studium einen nicht unerheblichen Anteil an Chemievorlesungen beinhaltet. Ein Fach, das ihr – laut eigenen Angaben – so gar nicht lag.

So kam es, dass sie sich 1986 an der Uni Münster für Kommunikationswissenschaft einschrieb. Nach ihrer Promotion kam sie zunächst an die Uni Hamburg, wo sie auch habilitiert wurde, und schließlich ans HBI. Hier forscht sie zu Themen wie Datenjournalismus, Journalismus-Publikum-Beziehung oder der sich verbreitenden Start-Up-Kultur in der Branche. Ihre Stimme ist oft in den Medien zu vernehmen, wenn es darum geht, aktuelle Entwicklungen im Journalismus zu kommentieren oder einzuordnen.

Rat an angehende Forscher*innen

Wege in die Wissenschaft sind vielfältig. Wichtig sei für angehende Forscher*innen vor allem, etwas zu finden, dass sie wirklich brennend interessiert, eine Frage, die sie unbedingt beantworten möchten. Denn dieses Thema wird sie schließlich jahrelang begleiten. „Bei mir war dieses Thema eben der Journalismus“, sagt Wiebke Loosen.

Freiheit vs. Leistungsdruck

Der Erforschung des Journalismus ist sie, abgesehen von ein paar Praktika in Lokalredaktionen und in der PR, in ihrer gesamten beruflichen Laufbahn treu geblieben. Auf die andere Seite, also in die journalistische Praxis, wollte sie nie. „Was für die Wissenschaft spricht, ist die Freiheit, die man hier hat“, sagt sie. „Man kann sich die Probleme, die man lösen möchte, selbst suchen.“

Diese Freiheit ist aber nicht immer ohne Preis. So sieht Wiebke Loosen einen zunehmenden Druck, der auf jungen Forscher*innenschultern lastet. „Es wird immer behauptet, dass man als Forscher*in für seine Arbeit brennen muss. Wenn man sehr stark brennt, brennt man vielleicht irgendwann einmal aus. Ich bin dafür, dass wir akzeptieren, dass es unterschiedlich produktive Phasen im Leben geben darf.“

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Prof. Dr. Wiebke Loosen

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

 

BRC057 Ethnographic Media Research

To find out how science journalists do their job, Irene Broer became one herself. Applying the research method ethnography, she spent several weeks amidst a team of science journalists. In this BredowCast episode, she explains what this endeavour entailed and why ethnography is a useful method to study journalism.

For a total of four weeks, Irene Broer became part of the editorial team at the Science Media Center Germany in Cologne – a news agency specialized in scientific topics. During that time, she looked over the editors’ shoulders and watched their every movetrying to find out exactly how they filter information, select their topics and decide what is publish-worthy.

This “editorial ethnography” was part of Irene’s PhD project which investigates the inner workings of science journalism in Germany. Ethnographic methods are ideal to study journalism behind the scenes, says Irene. “What you see in newspapers does not really give you an idea of what happens beforehand. What I find interesting are the choices leading up to it.”

While doing her ethnographic research, she fully immersed herself in the very environment she studied. She told the editors to treat her like an intern and give her concrete tasks to do, so that she would not just be there as the observer sitting in a corner taking notes.

However, this approach does not come without its challenges. According to Irene, what makes ethnographic research challenging is finding the balance between being part of a group and at the same time observing this very group from a neutral point of view.

“As an ethnographer you need to be very aware of any preconceptions you might carry about your research object and be very transparent about them. And sometimes you will change your preconceptions because you realize that reality is a little different than you had imagined beforehand. But that is the beauty of ethnography”, she says.


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Irene Broer

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC056 Europäische Medienordnung

Warum europäische Medien eine kohärente Ordnung brauchen und warum deren Herstellung ein so schwieriges Unterfangen ist, erklären die Medienjuristen Theresa Josephine Seipp und Dr. Stephan Dreyer in dieser Episode des BredowCasts.

Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft organisiert die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) eine internationale medienpolitische Konferenzserie, die vom HBI wissenschaftlich begleitet wird.

Von 7. Juli bis 29. Oktober 2020 sollen in zahlreichen Vorträgen, Workshops und digitalen Focus Sessions aktuelle Herausforderungen der europäischen Medienlandschaft identifiziert sowie zentrale Fragen zu ihrer zukünftigen Gestaltung gestellt werden.

Schon vor der Auftaktveranstaltung am 7. Juli haben sich Theresa Josephine Seipp und Stephan Dreyer intensiv mit einer Bestandsaufnahme der für die Europäischen Medienordnung relevanten Gesetzgebung beschäftigt und die Ergebnisse in einem sogenannten „Mapping-Gutachten“ zusammengefasst.

„Wir haben versucht herauszufinden, wo es in der Europäischen Medienordnung knirscht“, sagt Seipp. Heftiges Knirschen vernahmen die beiden Juristen vor allem in der Kohärenz der Medienordnung. Die für Medienschaffende in Europa relevantem Gesetze seien von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. Im Rahmen der Medienkonferenz soll diskutiert werden, wie. dem entgegenzuarbeiten sein könnte.

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EU Medienkonferenz

Mapping Gutachten (wird im September 2020 veröffentlicht. Der Link zum PDF wird dann ergänzt.)

Theresa Josephine Seipp

 Stephan Dreyer

 Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC055 Die Normative Ordnung des Internets

Über die Entstehung und die Beschaffenheit der normativen Ordnung des Internet schreibt Matthias C. Kettemann in seinem neuen Buch „The Normative Order of the Internet”, das kostenlos heruntergeladen werden kann. Im BredowCast gibt er einen ersten Einblick ins Thema.

Im Internet gibt es Regeln. Soviel haben wir mittlerweile gelernt. Wenn wir online jemanden beleidigen oder Unwahrheiten verbreiten, kann das im realen Leben Konsequenzen haben. Die Regeln des Internets sind aber so komplex, dass man darüber ein über 300 Seiten starkes Buch schreiben kann. So hat es Matthias C. Kettemann getan.

In „The Normative Order of the Internet” analysiert der Medienjurist im Detail, wer im Internet Regeln setzt, wie diese beschaffen sind und wer ihre Einhaltung durchsetzen kann. Dabei bezieht sich Kettemann auf die Theorie der „Normativen Ordnung“, die besagt, dass jedes vom Menschen gesetzte Recht innerhalb einer Gesellschaft auf einem Narrativ fußen muss, das von allen in dieser Gesellschaft akzeptiert wird. Nur auf diese Weise wird Recht legitim.

Das Buch ist Ende Juli bei Oxford University Press erschienen und als Open Access verfügbar.

Links

The Normative Order of the Internet

Matthias Kettemann

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut

BRC054 Auch im Internet sind nicht alle gleich

Die Politikwissenschaftlerin Katharina Mosene erforscht das Internet aus einer intersektional-feministischen Perspektive. Im BredowCast berichtet sie davon, wie Ungleichheit und Diskriminierung im Internet entstehen, wie man sie erforscht und was man dagegen tun kann.

In den frühen 2000er dachte man das Internet noch als einen „Möglichkeitsraum“ in dem wir uns anonym, ohne Geschlecht, ohne Körper, ohne Hautfarbe bewegen und gleichberechtigt miteinander in Diskurse eintreten. Relativ schnell hat sich herauskristallisiert, dass dem nicht so ist.

„Technologie ist nie frei von Wertung, Macht und Herrschaft. Im Internet sind nicht alle gleich“, sagt Katharina Mosene, Politikwissenschaftlern und Forschungskoordinatorin am HBI. Im Gegenteil, das Internet sei eine Technologie, die Ungleichheiten und Diskriminierung in manchen Fällen verstärke oder sogar erst hervorbringe.

Zwischen Möglichkeit und Ungleichheit

Feministische Kommunikationswissenschafter*innen betrachten das Internet als einen umkämpften öffentlichen Raum, als Blaupause unserer Gesellschaft, und daher auch als Spiegelbild gesellschaftlicher Ungleichverhältnisse.

„Wir sehen auf der einen Seite, dass das Internet ganz klassische feministische Aktivismen, wie das Sichtbarmachen von Problematiken, unterstützt. Man denke an #metoo“, sagt Katharina Mosene. „Auf der anderen Seite sehen wir digitale Gewalt, wie Hate Speech, die sich gezielt an marginalisierte Gruppen richtet.“

Ungleichheit beginnt beim Zugang

Es beginne damit, dass nicht alle Menschen gleichermaßen Zugang zu der Technologie Internet haben. Während für die einen ständiges Surfen und die ständige Verfügbarkeit von Informationen eine Selbstverständlichkeit ist, ist dies in anderen sozialen Schichten oder in anderen Erdteilen immer noch Luxus. Dies hat eine Fragmentierung der Gesellschaft zur Folge. Ungleichheiten werden verstärkt.

Ungleichheit und Diskriminierungen werden dem Internet aber auch regelrecht „eingeschrieben“ durch Algorithmen, die zum Beispiel Suchmaschinen steuern. Algorithmen sind von den selben Vorurteilen belastet, wie die Menschen, die sie programmieren. Sucht man beispielsweise in der Google-Bildersuche nach dem Begriff „Hand“, zeigen die Ergebnisse überwiegend weiße Hände, der Begriff „Familie“ erbringt überwiegend Bilder von weißen, Vater-Mutter-Kind-Familien.

Um das Internet und seine gesellschaftlichen Implikationen zu begreifen, sei es also wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Technologie die Menschen eben nicht alle gleich betrifft: „Sie betrifft die Menschen immer unterschiedlich. In ihrer Unterschiedlichkeit.“

Weiterführende Literaturhinweise

Wer an aktuellen Forschungsergebnissen zum Thema Technik, Medien und Geschlecht interessiert ist, dem sei auch das Themenheft unserer Zeitschrift “Medien & Kommunikationswissenschaft” empfohlen, das Mitte August erscheinen wird und das von Corinna Peil, Kathrin Müller, (der bereits von Katharina erwähnten) Ricarda Drüeke, Stephan Niemand und Raik Roth herausgegeben wird. “Technik – Medien – Geschlecht revisited. Gender im Kontext von Datafizierung, Algorithmen und digitalen Medientechnologien” heißt es, und auch den Link zum Heft werden wir baldmöglichst ergänzen.

Auf unserem Instituts-Blog Media Research Blog gibt es außerdem einen Beitrag von Katharina Mosene zum Thema Internet als Diskriminierungstechnologie.

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Links

Erwähnte Studien und Personen

Katharina Mosene

Johanna Sebauer

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut